Mein Südtirol – Norbert Niederkofler


Sitzt man bei Norbert Niederkofler in Südtirol zu Tisch, so kann man sicher sein: er hat sich Gedanken gemacht über den Aufbau seines Menüs, von dem er selbst sagt, „dieser Aufbau ist ebenso wichtig wie die Sonatenhauptsatzform bei einer Sinfonie“.

Seine Lehrjahre verbrachte Norbert Niederkofler in Deutschland, der Schweiz, in den USA und in Österreich bei so bekannten Größen wie Jörg Müller, Eckart Witzigmann, Nadia Santini und David Bouley.

Der Mann weiß also, wovon er spricht. Immerhin bekam er im Jahr 2000 seinen ersten Michelinstern und im Jahr 2007 den zweiten. Am dritten arbeitet er derzeit noch. Im Hotel & Spa „Rosa Alpina“ in San Cassiano, nur ca. 70 Kilometer von Bozen entfernt (siehe Karte unten).

In der Zwischenzeit hat der Verlag Collection Rolf Heyne ein Kochbuch mit ihm gemacht: Mein Südtirol. Ein sehr schönes, großformatiges Buch, mit fantastischen Fotos. Sowohl von den Gerichten des Meisters, als auch von der gewaltigen Natur Südtirols.

Folgerichtig scheint mir deshalb auch der Aufbau des Buches. In Südtirol ist man den Elementen nah, weshalb das Buch und somit auch die Rezepte, in Erde, Luft, Feuer und Wasser unterteilt ist.

Womit ich mich erst noch anfreunden muss, sind die gewaltigen Unterschiede zwischen dem, was man in dem Buch zu sehen bekommt. Einerseits die Landschaft Südtirols mit mächtigen Berge, dazu satte grüne Wiesen und Wälder, donnernde Wasserfälle und klare Seen.

Auf der anderen Seite hauchzarte, filigrane Gebilde kunstvoll drapierte Scheibchen von allen möglichen Dingen, von denen ich mich immer frage: wo ist der Rest des jeweiligen Produkts? Genannt sei, nur als Beispiel, die Variation eines Vitello Tonnato, mit einer exakt im rechten Winkel geschnittene Thunfisch-Scheibe, die vermutlich zu einhundert Prozent vier Millimeter dick ist und im Rechteck 7×1,5 cm misst. Das ist natürlich auch Handwerkskunst auf höchstem Niveau.

Aber musste dafür, und somit womöglich für den dritten Michelinstern, wirklich ein kompletter Thunfisch aus dem Meer gezogen werden, von denen bekannt ist, dass sie total überfischt sind? Wobei mir natürlich klar ist, dass der Fisch nicht wegen diesem Scheibchen starb…..! Da man als Gast vermutlich ebenso hübsche Portionen serviert bekommt, die Teller also nicht nur für das Fotoshooting derart gepimpt sind, sollten Kochkünstler wie Niederkofler ihre eigenen Ansprüche vielleicht trotzdem überdenken.

Denn Niederkoflers Traum von einer regionalen Küche, mit ebenso regionalen Produkten, die Rücksicht auf die Verfügbarkeit in der Natur nähme, könnte er uns mit Sicherheit leicht vorleben.

Stattdessen huldigt er (noch) der Spitzenküche und serviert uns akkurat geschnittene Häppchen in dem als Überraschung häufig ein exotisches Detail enthalten sein muss. Dabei ist er längst selbst zu der Erkenntnis gelangt: „Es gibt nichts besseres als Spaghetti mit Tomatensauce. Man braucht dazu nur die richtigen Tomaten.“

Dabei will ich dem Meister nicht unrecht tun. Natürlich gibt es auch vieles in dem Buch was man in Südtirol auf dem Teller einfach erwartet oder haben möchte. Angefangen bei den kleinen Cappelletti, die es mit verschiedenen Füllungen gibt, über Risotto, Schafsricotta, Regenbogenforelle, Kaninchen, Lardo, Spaghetti, das Carpaccio vom Bergrind und Kartoffelgnocchi. Unter den Desserts scheint mir die Variation von Himbeere und Buttermilch der Eyecatcher schlechthin zu sein.
Und wie schnell ist es verspeist!

Natürlich macht sich das alles fantastisch in dem Buch. Die Gerichte sind fast ausnahmslos Kunstwerke und die Zielgruppe dieses Bandes sind zweifellos ambitionierte Hobbyköche auf Ideensuche, der zufriedene Gast im „Rosa Alpina“, der die 58 Euro für das Buch zur Erinnerung gerne zusätzlich investiert, womöglich aber auch die Konkurrenten in der Spitzengastronomie.

Neben der schon erwähnten, grundsätzlichen Elemente-Einteilung des Buches, über deren Sinn sich nach eingehender Betrachtung des Gesamtwerkes Zweifel legen, stehen jedem ganzseitigen Foto der Teller, die einzelnen Rezepturen gegenüber.

Die Übersicht ist hier gewährleistet. Jede Komponente hat eine Auflistung der benötigten Zutaten, daneben wird mit wenigen Worten beschrieben was der Koch zu tun hat. Echte Tipps und Kniffe sucht man vergebens. Kochkenntnisse müssen vorhanden sein. Der Umgang mit Alginat, Kalzium und Soja-Lezithin wird als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt.

Hat man jedes der kleinen Kunstwerke gebührend bewundert und auch gewürdigt, stößt man unweigerlich auf zwei Fragen: Was würde einen dritten Stern ausmachen? Und was kann in der Küche als nächstes kommen?

Vielleicht denkt man aber auch einfach an hungrige Wanderer, die im schönen Südtirol herumspazieren oder dort auf den Bergen herumkraxeln, abends erschöpft auf deftige Regionalkost hoffen und nach einem solchen Menü womöglich hungrig ins Bett müssen.

So schön das Buch, die Fotos und die kunstvoll gestalteten Teller auch sind: Norbert Niederkofler hat das Problem schon erfasst. Die neuen Schlagworte heißen Natürlichkeit und Regionalität. „Das ist im Spitzenbereich zwar noch schwierig“, räumt Niederkofler ein, „aber das ist das Ziel“.

Ich wünsche ihm weiterhin viel Erfolg auf diesem Weg!

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Norbert Niederkofler – Mein Südtirol: Eine kulinarische Rundreise
272 Seiten
Format: 29,6 x 26 x 3 cm
Collection Rolf Heyne (Dezember 2011)
Preis: 58 Euro

 

Hinweis: Alle Bilder in diesem Artikel wurden aus dem Buch abfotografiert und stammen im Original von Udo Bernhart.

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