Auf Messers Schneide – Das Bowiemesser

Bowiemesser

Welche Krankheit mich im März 1967 in die Kissen zwang, weiß ich leider nicht mehr. Was nicht weiter verwundert, schließlich war ich damals erst neun Jahre alt. Fakt ist aber, dass es in meinem Elternhaus kein Bowiemesser und kein TV-Gerät gab. Nicht mal einen Schwarz-Weiß-Fernseher. Wer derzeit ein neunjähriges, krankes Kind zuhause hat, möge sich das bitte kurz vorstellen.

Wir hatten zwar etwa fünf bis sieben Schallplatten mit Märchen im Haus, dazu natürlich „Peter und der Wolf“, was nach meiner unmaßgeblichen Meinung noch heute zur musikalischen Früherziehung jedes Kindes gehören müsste. Aber der Plattenspieler befand sich im Wohnzimmer, integriert und fest eingebaut in einem gigantischen Bücherregal – ein Stockwerk tiefer.

Dass es damals weder Kassettenrekorder noch CDs oder MP3-Player gab, soll nur nebenbei erwähnt werden. Im Kinderzimmer herrschte also Stille. So eine Situation war für jede Mutter damals eine große Herausforderung, denn wir Kinder waren nicht einfach alleine krank, sondern häufig mindestens noch eine meiner drei Schwestern dazu.

Ebenfalls im Wohnzimmer befand sich das schicke, weiße Saba-Radio, vor dem wir uns am Sonntag um 13 oder 13:30 Uhr versammelten, um eine neue Folge „Pumuckl“ zu hören. Die kurzen Hörspiele wurden damals vom Bayerischen Rundfunk Häppchenweise unter die Kinder gebracht.

Die Zeit der großen Markennamen. Von Grundig bis Otto und VW

Ein Fernsehgerät anzuschaffen, lehnte mein Vater stets ab, mit dem Argument, Fernsehen sei etwas für alte Menschen. Wobei das Programm (der zwei einzigen Sender damals) die häusliche Situation im Krankheitsfall kaum entspannt hätte.

Dabei war es die große Zeit der deutschen Marken! Grundig, Nordmende, Telefunken (fusionierte damals gerade mit AEG), sogar Blaupunkt und Saba (Schwarzwälder Apparate-Bau-Anstalt) bauten selber Fernsehgeräte.

Damals im Wirtschaftswunderland Deutschland wuchs die sogenannte Deutschland AG zusammen, und bereits seit mehr als zwanzig Jahren gab es zu diesem Zeitpunkt Versandhäuser wie Quelle, Neckermann und natürlich „OTTO“ (find‘ ich gut), die ihre Kataloge in Millionenauflagen den Verbrauchern ins Haus lieferten.

Und der Katalog war für die Leute so etwas wie ein Fenster zur Welt, in dem immer wieder herumgeblättert wurde. Otto ist übrigens von allen genannten Firmen die einzige, die noch heute erfolgreich aktiv ist. Seit Februar 2013 betreibt der Otto-Versand sogar einen Onlineshop unter Neckermann.de. Die alte Konkurrenzmarke wird auf diesem Weg von Otto weiter gepflegt.

Bowiemesser
Was das Bowiemesser mit dieser Geschichte zu tun hat, wird erst weiter unten im Text klar

Auch wenn wir selber gar kein Fernsehgerät hatten – auf der Funk-Ausstellung in West-Berlin am 25. August 1967 erfolgte der Start des Farbfernsehens in Deutschland. Den Startknopf drückte damals Willy Brandt, der noch Vizekanzler war.

Für junge Leser interessant sein könnte das Preisgefüge in jenen Tagen. Der seinerzeit bedeutende Neckermann Versand verkaufte recht günstig ein Fernsehgerät von Körting (ein Hersteller der in den 1970er Jahren nach langen Wirrungen Konkurs anmeldete), den sogenannten „Neckermann Weltblick“ für 1.840 DM. Dieser Preis lag ein ganzes Stück unter den 2.400 DM die andere Hersteller für ihre Flimmerkästen verlangten.

Dass 2.400 DM für ein Fernsehgerät verdammt viel war, drückt nicht nur die nackte Zahl aus. Für annähernd zwei Farbfernsehgeräte hätte man 1967 auch den sogenannte „Sparkäfer“ von VW erwerben können. Der wurde damals für nur 4.525 DM angeboten!

Eine Widmung in Old Surehand I – Das erste Bowiemesser

Die damalige Lebenssituation ist nun ausreichend umrissen. – In diesem Moment kommt mein Vater an mein Krankenlager und übergibt mir meine ersten beiden Karl May Bücher. Warum er sich ausgerechnet für Old Shurehand entschieden hat, weiß ich nicht. Es spielt auch keine Rolle, denn die drei Winnetoubände bekam ich zu einem späteren Zeitpunkt geschenkt.

Bowiemesser

Viel wichtiger ist, dass ich damals sagenhaften Gestalten begegnete, die fortan meinen Träumen neue Dimensionen gaben. Und nach dieser ganzen Geschichte, komme ich nun endlich zu dem Punkt, zu dem ich eigentlich wollte. Denn bereits auf Seite 16 des Buches stieß ich das erste Mal in meinem Leben auf ein echtes Bowiemesser.

Es steckte nicht in einer Leiche. Es wurde auch nicht in einem Kampf verwendet. Wie könnte es bei Karl May auch anders sein, es taucht in einer Personenbeschreibung auf, von der ich mich nicht mehr erinnern kann, welche Rolle die Figur des „Old Wabble“ in dem Band spielt.

Seine Beschreibung zieht sich fast über eine ganze Seite in dem Buch, so dass die eigenen Vorstellungskraft nur noch ein paar Farbklekse an die richtige Stellen setzen muss, um die Figur lebendig werden zu lassen:

…. Noch sehe ich ihn vor mir stehen, lang und überschmal, die Füße im unbeschreiblichen Shuffles und die Beine in uralten Leggins steckend.

Über dem Hemd, dessen Farbe ich lieber gar nicht erwähne, hing eine Jacke, deren einziger Vorzug eine allgemeine Offenherzigkeit war. Brust und Hals blieben unbedeckt; dafür aber trug er unter dem zerknüllten Hut stets ein um die Stirn gebundenes Tuch dessen Zipfel auf die Schulter niederhingen, im Gürtel das lange Bowiemesser an den Ohrläppchen schwere Silberringe und in der großen, braunen knochigen Hand die stets glimmende, unvermeidliche Zigarette. Anders hatt ihn wohl selten ein Mensch gesehen.

Das kostbarste war sein altes, wetterhartes, faltenreiches und stets glattrasiertes Gesicht mit starken Niggerlippen, langer spitzer Nase und scharfen, grauen Augen, denen nicht leicht etwas entgehen konnte, obgleich die Lider stets halb geschlossen waren. Mochte dieses Gesicht ruhen oder in Bewegung sein, es hatte immer und immer den Ausdruck einer Überlegenheit, die durch nichts aus dem Gleichgewicht zu bringen war….“

Die edel klingende Beschreibung des Autors hielt ihn aber nicht davon ab, Old Wabble einige üble Taten vollbringen zu lassen. Er ist ein ziemlicher Rassist und auch ein übler Verräter.

Krag Bowie-Bajonett, US gestempelt, datiert 1900
Krag Bowie-Bajonett, US gestempelt, datiert 1900 – Bowiemesser – Quelle: Wikipedia

Laut Wikipedia geht der Name des Bowiemessers auf James „Jim“ Bowie zurück, der im frühen 19. Jahrhundert an Messerstechereien beteiligt war. Die ersten dieser Messer wurden von seinem Bruder, Rezin P. Bowie, so entworfen, dass sie sowohl als Feldmesser und Jagdmesser als auch als Kampfmesser eingesetzt werden konnten.

Blogevent Auf Messers Schneide

„Die gebräuchlichste Form des Bowie-Messers hat eine Klinge von mindestens 15 cm, wobei einzelne Klingen auch eine Länge von bis zu 30 cm haben können. Die Breite beträgt meistens 4 bis 5 cm. Die Rückseite der Klinge ist oft mit Kerben oder einer Schicht aus weichem Metall versehen (z. B. Kupfer oder Messing), um die Klinge gegnerischer Messer abfangen zu können. Als typisch gilt eine einschneidige Clip-Point-Klinge mit Entenschnabel- oder Pandurenspitze. Zwischen Klinge und Griff sitzt ein meist großes Parierelement aus Neusilber oder anderen Buntmetallen, die Griffschalen sind aufgenietet und aus Holz, Elfenbein oder Geweih.

Hauptlieferant für Bowie-Messer war die in Sheffield, England, angesiedelte Messerindustrie. Einer der bekanntesten Hersteller war George Wostenholm & Sons, Washington Works, Sheffield, der seine Messer mit der Bezeichnung IXL (I excel) versah. Unter den Dutzenden von Herstellern sind auch W. Butcher, Rogers & Sons und Wilkinson W. & Son bekannt. Seltener anzutreffen sind Bowies aus amerikanischer Produktion.“

Es gibt in diesem Blog weitere Geschichten aus meiner Kindheit. Eine davon befindet sich im Rezept Knuspriger Schweinebauch mit Mais und Zitronengelee, das im weitesten Sinne auch etwas mit dem Wilden Westen zu tun hat.

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10 Kommentare zu “Auf Messers Schneide – Das Bowiemesser”

  • Ach die schöne, alte Karl May Zeit. Ich habe als ich klein war die Bücher ebenfalls verschlungen, und Old Surehand gehörte dabei mit zu meinen liebsten Büchern. Die Filme war dagegen nicht nach meinem Geschmack.

  • Ach, Ninive! Gerade bin ich zufällig auf diesen Post gestossen, und sofort ging es „down memory lane“.

    Das isolierte Krankenlager (bei mir war es Scharlach) und die Lektüre der ersten Karl May Bände, die eine ganz andere Welt eröffneten! Ich fand sie äusserst unterhaltsam, und habe, besonders bei „Zobeljäger und Kosak“ Tränen gelacht.

    Deine Geschichte hat mir den trüben Ostersonnabend aufgehellt – es hat SCHON WIEDER geschneit!

    Fröhliche Ostern,
    Karin

  • Wir waren zwar nur zwei Kinder, aber unser Vater aus Radebeul gebürtig…. so habe ich auch ungezählte Stunden, nicht nur kranke, mit Karl May und seinen sagenhaften Figuren im Bett verbracht! Allerdings haben wirs nie zu einem Bowie-Messer gebracht…

  • Schön und sehr interessant geschrieben ruft dein Beitrag auch bei mir viele Erinnerungen wach…sind wir doch fast ein Jahrgang und waren wir auch 4 Kinder zu Hause. ;-)

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