Blitz aus grauem Himmel und die bewusstlose Kuh

Wanderwegweiser in Ohlstadt - Eine bewusstlose Kuh findet man nicht alle Tage

Die Nummer sechs auf meiner kleinen Wanderkarte beschreibt den Weg von Ohlstadt zur Kreut-Alm. Zurückzulegen sind sechseinhalb Kilometer und nur 200 Höhenmeter, auf einer durch reichlich Wiesen und Wälder aufgehübschten Strecke.

An der „Hohen Tanne“ verspricht man mir keine bewusstlose Kuh, aber eine tolle Aussicht, die am Ziel sogar noch schöner wird, schweift unser Auge dann doch über den gesamten Kochelsee. – Selbstverständlich muss der emsige Wanderer den Rückweg in Betracht ziehen.

Wildbach an meiner Wegstrecke
Ein Wildbach an meiner Wegstrecke

Bei meinem Start an diesem Sonntag um 12:45 Uhr, hat es gerade mal 15° Grad und ich weiß noch nicht was mich erwartet.

Ab 13:30 Uhr befällt mich leichter Nieselregen, eine Viertelstunde später werden die Tropfen zudringlicher. Zum Glück hat man mir am Wegesrand eine dieser überaus massiven Holzbänke aufgestellt, die in dieser Gegend üblich sind.

Die Bank ist zwar feucht aber noch nicht richtig nass geregnet. Das Blätter- und Nadeldach darüber ist relativ dicht. Ein guter Platz um das Ende des Regens abzuwarten. Auf der anderen Seite des Wanderpfades befindet sich eine große Weide, eingezäunt mit knorrigen Zaunpfählen, die mit Stacheldraht bespannt sind.

Mein Standpunkt

In der am weitesten entfernten Ecke stehen vier Rinder oder Kühe herum, die scheinbar das Getröpfel genießen. Vermutlich weil sie endlich frei von lästigen Fliegen und Bremsen haben.

Was tut man also, allein am Waldrand und relativ fern jeder Zivilisation?

Meine Aufmerksamkeit wird zunächst von vor mir stehenden Grashalmen gefesselt, denen ich zwar nicht beim wachsen zusehe, aber immerhin registriere, dass man als einzelner Grashalm nur sehr selten von einem einzelnen Regentropfen getroffen wird.

Vorausgesetzt, das Smartphone in meiner Tasche hätte nicht „Kein Netz“ angezeigt, wäre dieser Sachverhalt unter Umständen auch zu googeln gewesen. Ich habe es aber tatsächlich meinen eigenen Augen überlassen, das herauszufinden.

Inzwischen regnete es stärker, was jetzt auch den jungen Kühen zu bunt wird. Sie begeben sich tollpatschig in meine Richtung an den Waldrand. Ganz weit entfernt hört man leises Donnergrollen, was den Regen scheinbar dazu anspornt stärker auf meinen Standort zu prasseln.

Der Himmel ist sehr grau!

Für mich gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder weiter in Richtung Kreut-Alm wandern, darauf vetrauend, dass der Sommerregen nachlässt, oder doch lieber zurück in die Ohlstadtklinik.

Tolle Wolken vor grauem Himmel

Ich trete also einige Schritte nach vorne an den Wegrand, als es – zwar nicht aus heiterem Himmel – aber doch urplötzlich – ein gewaltiges Krachen gibt und keine zwei Meter vor mir zeitgleich mit dem Donner der Blitz in einen der alten Pfähle des Weidezauns schlägt.

Wegkreuz an meinem Wanderweg bevor es anfing zu regnen
Wegkreuz an meinem Wanderweg bevor es anfing zu regnen

Ich sehe Funken fliegen und ein kleines Rauchwölkchen aufsteigen, der Pfosten vor mir bleibt aber unbeschädigt.

Voller Respekt habe ich mich sofort wieder an meine Bank zurückgezogen und überlege was zu tun ist.

Die Chance, dass noch ein zweiter Blitz antanzt, der mich womöglich selber treffen könnte, verschiebe ich schnell ins Reich der absoluten Unwahrscheinlichkeiten. Wobei sich rein rechnerisch die Chancen nicht geändert haben.

Es herrscht Ruhe über dem Land, die Vögel haben aufgehört zu zwitschern, nur das Rauschen des Regens ist zu hören.

Bewusstlose Kuh

Auf der Weide sehe ich plötzlich eines der vier Tiere am Boden liegen. Es ist das Tier mit dem hellsten Fell weshalb gut auszumachen ist, dass die Kuh vollkommen reglos ist. Eine bewusstlose Kuh?

Nennen wir sie künftig ruhig bei einem passenden Namen, zum Beispiel Roswita. Die dunkleren drei Rindviecher stehen wie besorgt um Roswita herum und sehen beunruhigt aus. Ebensowenig wie ich, haben sie je eine ohnmächtige Kuh gesehen!

Um zu überprüfen was geschehen ist und in die Nähe der Tiere zu kommen, müsste ich einen weiten Umweg machen. Der Stacheldraht des Weidezauns ist mir jedoch zu dicht.

Freundliches Rindvieh - keine bewusstlose Kuh
Keine bewusstlose Kuh! Eher ein freundliches Rindvieh. Ob Männlein oder Weiblein spielt hier keine Rolle. Auf jeden Fall mit einer ungünstigen Schrittspannung ausgestattet.

Noch während ich nachdenke, tritt in meiner Nähe ein tropfnasses Ehepaar auf Pilzsuche aus dem Wald, Leute die im nächsten Dorf wohnen.

Potenzialtrichter einer gerissenen Freileitung mit Erdschluss. Der Potenzialtrichter (rote Linie im unteren Diagramm) stellt den Spannungsverlauf an der Erdoberfläche als Funktion des Ortes/Entfernung vom Berührungspunkt der Freileitung am Boden dar. Befindet sich ein Mensch in diesem Bereich können zwischen den Beinen gefährliche elektrische Spannung, die sogenannte Schrittspannung, auftreten (US2-US1). Quelle: Wikipedia

Gemeinsam begutachten wir das Verhalten der Kühe einige Minuten lang, bis eindeutig zu erkennen ist, dass die vom Blitz getroffen geglaubte Roswita immerhin wieder mit dem Kopf wackelt. Vielleicht um Benommenheit oder Reste ihrer Ohnmacht abzuschütteln.

Nachdem sich das Paar bereit erklärt, dem Eigner der Tiere Bescheid zu geben und sich der Regen von all dem unbeeindruckt zeigt, machte ich mich von dannen und musste Roswita ihrem Schicksal überlassen. Ich werde morgen nach ihr sehen!

Kühe leben echt gefährlich

In meiner Bleibe lerne ich mit Hilfe des Oberarztes und von Wikipedia, dass Kühe auf der Weide prinzipiell sehr gefählich leben wenn es gewittert. Das liegt zum einen an der ungünstigen Schrittspannung, über die Kühe verfügen. Ihre Beine stehen einfach zu weit auseinander!

Und natürlich daran, dass Rinder bei Gewittern gerne unter Bäumen Schutz suchen, die wiederum Blitze anziehen.

Auf einer Alm bei Salzburg wurden im Juli 2016 gleich 18 Kühe auf einen Schlag getötet, als eine alte Fichte vom Blitz getroffen wurde unter dem sie Schutz gesucht hatten. Die Stromstärken müssen enorm gewesen sein, die Tiere erlitten einen Herzstillstand.

Roswita erfreut sich bester Gesundheit

Die Schrittspannung bezeichnet die elektrische Spannung zwischen zwei Punkten eines von starkem Strom durchflossenen Bodenbereichs. Der Begriff beruht übrigens auf dem Umstand, dass diese Spannung einen Menschen dann betrifft, wenn er bei einem Schritt den Boden an unterschiedlichen Punkten berührt.

Kühe haben manchmal hübsche Wimpern. Und können damit auch klimpern ;-)
Das ist nicht Roswita, die bewusstlose Kuh.
Aber Rinder, egal ob männlich oder weiblich haben manchmal hübsche Wimpern. Und können damit auch klimpern ;-)
Menschen sollten bei Gewittern demnach mit geschlossenen Füßen in die Hocke gehen, um den Blitz nicht selber anzuziehen. Alle Details dazu kann man im Wiki-Artikel Schrittspannung nachlesen.

Roswita erfreut sich jedenfalls bester Gesundheit. Nach drei Tagen führte mich die nächste Wanderung bei ihr vorbei.

Und ich glaube sogar, sie hat mir mit einem Auge zugezwinkert!

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1 Kommentar zu “Blitz aus grauem Himmel und die bewusstlose Kuh”

  • Rinder und Kühe sind schon sehr mutig , wenn sie sich immer wieder diesen Gefahren , ob freiwillig oder unfreiwillig stellen müssen. Was ich am meisten bei diesen Tieren bewundere ist die Ruhe die sie ausstrahlen. Also wer mal „runterkommen“ möchte, stellt sich kurze Zeit neben eine Kuh und diese Gelassenheit überträgt sich automatisch. Kann ich nur empfehlen.

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