Spaziergänge mit meiner Großmutter durch den Wald, der direkt hinter ihrem Häuschen auf dem Land begann, waren für uns Knirpse sehr spannend. Davon abgesehen, dass es eventuell Tiere wie Rehe oder Hasen zu sehen gab, sammelten wir alles was meine Oma als nützlich einstufte. Besonders toll war natürlich die Zeit in der es Pilze gab. Erst heute habe ich ein Zitat des amerikanischen Schriftstellers Erskine Caldwell gelesen, das da lautet: Erfahrungen sammelt man wie Pilze im Wald: Einzeln und mit dem Gefühl, dass die Sache nicht ganz geheuer ist! – Pilze sammeln war genau das!
Mit den dichten Hecken am Waldrand konnten wir dagegen gar nichts anfangen. Natürlich wuchs dort Schlehdorn, dessen blaue Beeren zu zerkauen, eine echte Mutprobe für uns Kinder war. Heute stehe ich den Schlehen weitaus interessierter gegenüber, vor allem wenn es darum geht sie zu trinken. Als Schlehengeist oder auch als Schlehen-Likörchen, das man sich recht einfach selber machen kann.
Die Schlehe ist selbstverständlich auch ein Hausmittelchen. Mein gutes altes Kneipp-Buch aus dem Jahr 1918 ist voll mit Krankheiten und Mittelchen die dagegen helfen könnten. Die Schlehen (Dornschlehblüten) stehen im Inhaltsverzeichnis ganze sieben mal erwähnt. Die Krankheitsbilder reichen vom Erstickungsanfall über die Gicht bis zu diversen Leberleiden. Empfohlen wird vom alten Pfarrer Kneipp immer ein „Thee“ aus den Blüten (Schlehdornblüten).
Ganz grausig fand ich es als Kind übrigens, wenn wir im Sommer vor dem Gang in den Wald mit leichten Milchkannen ausgerüstet wurden. Das bedeutete nichts gutes. Denn dann war das zupfen von Schwarzbeeren, bzw. Blaubeeren angesagt. Den fertigen Kuchen zu essen und die gefärbte Zunge heraus zu strecken war natürlich lustig. Aber bis man so ein Alu-Kännchen mit den kleinen Beeren voll hatte, das dauerte so entsetzlich lang. – Wenigstens konnte man die Schwarzbeeren beim pflücken gleich in den Mund stecken. Und sie hatten zum Glück keine Dornen wie die vermaledeite Schlehe….
Die Schlehe wird wegen ihrer schwarzen Rinde auch gerne Schwarzdorn oder Schlehdorn genannt. Und sie gehört zur Familie der Rosengewächse, was für alle Märchen-Tanten und -Onkel wichtig sein dürfte. Dass das schwarze, dornige, undurchdringliche Skelett an Ästen und Zweigen der Schlehe, auch schon mit dem unschönen Begriff „lebender Stacheldraht“ belegt wurde, sei nur nebenbei erwähnt.
Zwar bilden auch andere Rosenarten dichte Hecken, wie zum Beispiel die, an der am Ende des Jahres die Hagebutten zurückbleiben. Trotzdem ist anzunehmen, dass in alten Märchen, in denen dichte Hecken eine Rolle spielen, der Schlehdorn als Ideengeber und Hauptdarsteller diente. Auch wenn Illustrationen von Dornröschen den Hang zur roten Blüte aufweisen, musste sich der Prinz sicher durch Schlehdorn kämpfen.
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