Gemüse²: Rezepte aus dem Essigbrätlein
Nach ihrem ersten Standardwerk servieren die Sterneköche Andree Köthe und Yves Ollech mit „Gemüse²” gänzlich neue Rezeptideen: Bekannte Gemüsesorten präsentieren sie sensationell und ungewöhnlich.
Hinweis in eigener Sache:
Das Buch wurde mir vom Verlag Tre Torri zur Rezension kostenlos überlassen.
Alle Fotos oben wurden aus dem Buch abfotografiert.
Originalfotos: Peter Schulte.
Sieht man den tollen Band „Gemüse²“ in der Auslage der Buchhandlung liegen, könnte man dem Projekt zunächst skeptisch gegenüberstehen. Denn Fortsetzungen kennen wir in erster Linie aus dem Kino.
Während zum Beispiel dem Werk „Der Pate“ (1969) noch recht gute Sequels mit Teil II (1974) und Teil III (1990) folgten, lehrte uns die Fortsetzung von Steven Spielbergs spannendem „Der weiße Hai“ (1975) den Frust im Kino.
Denn „Der weiße Hai 2“ (1978) ist nur noch ein billiger Abklatsch des Originals. Allerdings werden wir seit jener Zeit im Kino regelmäßig mit Fortsetzungen konfrontiert. Wer kennt nicht „Mad Max“ und „Lethal Weapon“ (Mel Gibson), „Stirb langsam“ (vier Teile mit Bruce Willis) oder „Alien“ (Film 1 von Ridley Scott)!
Was früher anrüchig wirkte, gehört heute zum Konzept.
Was wäre „Star Wars“, „Harry Potter“ oder „Der Herr der Ringe“ ohne Fortsetzung? Angeblich sehnen sich die Leute nach Fortsetzungen um Beständigkeit in Ihr Leben zu bringen. Wahrscheinlich deswegen haben auch wir Batman, Spider- und Superman, die Helden meiner Jugend aus dem Comic Heft, längst als Mehrteiler im Kino konsumiert.
Viele der oben genannten Filme waren trotzdem ganz großes Kino!
Auch Gemüse² ist ganz großes Kino
Stellt man das mir vorliegende Kochbuch in den Kontext mit Kino kommt man zum Schluss: Gemüse² ist ebenfalls ganz großes Kino und gehört keineswegs in die Kategorie Abklatsch des ersten Teils!
Die Hauptdarsteller und Superhelden sind noch immer die Andree Köthe und Yves Ollech. Der Drehort ist das Nürnberger Essigbrätlein, einziges zwei Sterne Restaurant in meiner Stadt. Für mich deshalb die Lokalmatadoren, deren Kreationen einmalig auf der Welt sind.
Aus der Küche des Essigbrätlein dringt Beständigkeit und trotzdem eine unheimliche Kreativität – nach der wir uns im Kino sehnen.
In einem interessanten Interview am Anfang des neuen Buches erklärt Yves Ollech das Konzept des Restaurants und damit auch des Buches:
„Wir haben von sieben Gängen im Menü drei Gemüsegänge. Auch die anderen Gerichte basieren immer auf Gemüse…. Wir schauen zuerst, was wir in der Jahreszeit an interessanten Waldfrüchten oder Pilzen bekommen… Danach überlegen wir uns, was wir damit machen könnten und sortieren dann einen Baustein Fleisch oder Fisch dazu.“
Wichtig ist den beiden Köchen, die schon das neunzehnte Jahr gleichberechtigt zusammen arbeiten, die Regionalität der verwendeten Produkte. Was aber nicht heißt, dass sie keine Zitronen oder Kakao verwenden, nur weil beides bei uns nicht wächst.
Gemüse² enthält 50 spannende Gerichte
Aber es gibt ethische und moralische Grundsätze, die Stopfleber auf der Karte verbieten, den Einsatz von Kaviar stark reduziert haben und Seewasserfische im Meer belassen.
Trotzdem findet man im Rezept-Register über 50 spannende Kombinationen von A-Z.
Darunter sind sehr viele, die der gemeine Hobbykoch in der eigenen Küche durchaus nachbauen kann. Die Schwierigkeit liegt nur in der Beschaffung der Grundprodukte und dem Faktor Zeit.
Beispiel gefällig? Ackerrettich mit Zwiebelcreme ist bestimmt ein feines Gericht, das allerdings auch eine Magnolienessenz als Komponente vorsieht. Magnolienblüten aus dem Garten gibt es bei uns nur im Frühjahr – außerdem muss man sieben Tage Standzeit einplanen.
Der rote Faden in Gemüse²
Womit wir beim Thema sind, das sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht. Verwenden andere Sterne-Köche exzessiv Küchengeräte, die sich schon aus Kostengründen kein Privatmann anschafft, wird im Essigbrätlein bei Andree Köthe und Yves Ollech fleißig fermentiert und getrocknet. Man muss bei jeder Rezeptur den Zeitfaktor definitiv im Auge behalten.
Ich werde sicher demnächst die „Kirsch-Tomaten mit geräucherten Nordseelachs“ zubereiten. Die rote Zwiebel, das Grapefruit-Chutney und der Wacholderzweig dazu stellen kein Problem dar, aber die 40 Stunden Trockenzeit für rote Bete, die später in eine rote Bete-Creme verwandelt wird, bringe ich in meinem Alltag leider nicht unter.
Wie schon im ersten Buch Gemüse – Andree Köthe und Yves Ollech sind es die tollen Kombinationen und Aromenspiele die die beiden auf die Teller gebracht haben und die auch den zweiten Band ausmachen.
Fantastisch sind die Fotos in dem großformatigen, quadratischen Buch. Interessant die Texte zu den speziellen Produkten.
Wer weiß schon, dass man junge Fichtentriebe zwar essen kann, diese aber gefälligst nur im eigenen Garten ernten sollte! Auch mit dem Vorurteil, die „Vogelbeeren“ der Eberesche seien giftig wird aufgeräumt. In „Gemüse²“ servieren Andree Köthe und Yves Ollech uns Ebereschenmarmelade mit Saiblingsfilets.
Dazu gibt es in „Gemüse²“ jede Menge spanennder Produkte zu entdecken, die man nur mit offenen Augen auf den Märkten unseres Landes oder nur in freier Natur finden wird.
Liest man das Rezeptregister, stößt man auf Vogelmiere, Grünkohl- und Lindenblüten, Löwenzahn, Mairübchen, Maishaar, Schlehen, Steckrübenstiele und die Steinquitte, die allesamt keineswegs die Rolle von Statisten spielen.
Wer es satt hat, bei Gemüse immer an verkochten Brokkoli, Blumenkohl und nur an grüne Bohnen sowie Erbsen und Karotten zu denken, dem sei der Kauf des Bandes dringend empfohlen.
Buch bei AMAZON kaufen:
Andree Köthe, Yves Ollech
Gemüse2: Rezepte aus dem Essigbrätlein *)
Tre Torri Verlag (erschienen Juli 2015)
Format: 224 Seiten, 28,8 x 29,7 cm
Gebunden
ISBN-13: 978-3944628622
Preis: 49,90 €
Oh Peter, das bespreche ich demnächst auch ;-) hab deswegen deinen Post nicht gelesen ;-) vielleicht kommen wir ja zu einem ähnlichen Urteil…
Na da bin ich aber gespannt ;-)