Bevor ich zum Nürnberger Hutmuseum komme, muss ich noch schnell etwas anderes loswerden! – In einer alten Ausgabe des Cicero, einem Magazin für politische Kultur, fand ich nämlich kürzlich einen ziemlich frechen Artikel aus dem Jahr 2014, in dem ein kleiner Huthasser alles mögliche zusammengetragen hat, was heutzutage dagegen spräche, einen Hut zu tragen.
Ich fand das ziemlich albern, denn ausgerechnet in einer Zeit, in der die Leute meinen, mit einer Jogginghose, einer Strickmütze und Frauen mit Ugg-Boots an den Füßen seien bereits ausreichend (und womöglich gut) gekleidet, fand ich das recht unpassend. Davon abgesehen, betraf mich der Artikel persönlich.
Interessant sind allerdings die historischen Aspekte, die der Autor Alexander Grau dort zusammengetragen hat. So zum Beispiel einen, den missgünstige Historiker dem guten alten John F. Kennedy zusprechen. Er persönlich sei nämlich für die Entwicklung zur heutigen Hutlosigkeit verantwortlich. Er konnte Hüte angeblich nicht ausstehen, und tatsächlich finden sich kaum Fotografien Kennedys mit Kopfbedeckung.
Trugen Männer zu Anfang des 20. Jahrhunderts immer und überall eine Kopfbedeckung, kamen Hüte in den 60er Jahren aus der Mode. Sie galten als gestrig, als spießig und reaktionär. Hinzu kam die stetig steigende Mobilität der Menschen.
Mussten Mann und Frau einst gut behütet durch Wind und Wetter weite Strecken zu Fuss gehen, sitzt der moderne Mensch heute in seinem Auto, in dem Wind und Regen kaum eine Rolle spielen. Wozu also einen Hut?
Der umgearbeitete Stetson von Brömme, der weiter unten nochmal ins Spiel kommt
Ich persönlich trage trotzdem Hüte. Und es werden im Schrank immer mehr, je weniger Haare auf meinem Schädel zu zählen sind. Als Nutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln ein praktisches Ding. Und an Tagen unter 10 Grad ein absolutes Muss. Selbst im Sommer gehört oft ein Hut zu mir, alle paar Jahre ausgetauscht wie die Brille auf der Nase.
Auch wenn ich selber Hüte trage, so genügt das leider nicht, echte Hutmacher vor Ort mit meinen bescheidenen Einkäufen zu ernähren.
Horst Brömme und sein Nürnberger Hutmuseum
Der letzte Hutmacher in Nürnberg ist deshalb Horst Brömme, der noch in diesem Jahr seinen achtzigsten Geburtstag feiern wird. Aus Anlass des 125-jährigen Firman-Jubiläums kam er bereits 2003 auf die Idee ein Hut-Museum einzurichten. Nicht zuletzt um seinen Laden den interessierten Hutkäufern zu erhalten.
Das Hutmuseum Brömme, Innere Laufer Gasse 31/33, 90403 Nürnberg
https://www.broemme-schneiderlein.com/das-museum/
Nachtrag: Horst Brömme ist im Alter von 85 Jahren am 15.11.2021 verstorben.
Das Brömme-Stammgeschäft am Laufer Schlagturm eröffnete bereits 1878. Das kleine, privat geführte Hut-Museum wird von der Nürnberger Touristen Information zum Besuch empfohlen und hat es inzwischen in so manchen Reiseführer geschafft. So kommt es, dass man dort Menschen aus aller Welt antreffen kann. Ich habe Horst Brömme in seinem Laden und Hutmuseum besucht.
Hut-Museum Nürnberg – Ein Brömme Hut ist immer gut!
Zwar weiß ich, dass ich Hutgröße 57 habe, aber Herr Brömme will es natürlich ganz genau wissen. Auch um seine tollen Gerätschaften wie Konformateur (auch Bild ganz oben) und Formillion zum Einsatz bringen zu können.
Mit dem Konformateur wird nicht nur der Kopfumfang gemessen, sondern auch die Form des Schädels aufgezeichnet
Die Lochkarte wird vom Konformateur, auch Conformateur geschrieben, gestanzt (Foto unten). Sie zeigt die Form des menschlichen Schädels an. Mich hat die Form meines eigenen Kopfes sehr überrascht….
Die Lochkarte wird ausgeschnitten und in das nächste Gerät eingespannt – ein Formillion. Die Holzklötzchen werden vorsichtig an die Lochkarte herangeklopft und dann fixiert. Nun hat man eine exakte Nachbildung des Kopfumfanges des Kunden, mit dem der Hutmacher arbeiten kann….
… Am heutigen Tag wird das Formillion dazu eingesetzt, bereits fertige Hüte „von der Stange“ für den Kunden in der Form zu individualisieren. – Das war auch mein Wunsch. – Denn auf der Suche nach einem hellen, vielleicht sandfarbenen Hut fiel mein Blick auf einen amerikanischen Hut der Firma Stetson, der aber leider die Form eines typischen, amerikanischen Cowboyhutes hatte. Die Größe passte zwar hablbwegs, allerdings musste Herr Brömme den Hut komplett umformen. Später wurde auch noch ein anderes Hutband von einer Modistin angebracht.
Besuch und Einkauf im Nürnberger Hutmuseum bei Brömme. Natürlich mit Sonderwünschen!
Ist schon auf dem richtigen Weg. Mein neuer Hut beim Einkauf im Nürnberger Hutmuseum bei Brömme
Bei der Formgebung von Hüten wird stets mit heißem Wasserdampf gearbeitet, der das Material aufweicht und so wieder (ver)formbar macht. Das ist auch einer der Gründe, warum Hüte im Alltag nicht unbedingt nass werden sollten. Denn dann besteht die Gefahr der unerwünschten Verformung.
Horst Brömme unter Dampf: bei der Arbeit in seinem Nürnberger Hutmuseum
Von Hase und Biber bis zum Wollfilz – Nürnberger Hutmuseum
Ein sehr interessanter Teil der kleinen Museumsführung ist die Geschichte der verwendeten Materialien. Einfache Hüte bestehen aus Wollfilz, während richtige Qualitätshüte noch immer aus Hasen- und Biberhaaren bestehen. Je höher der Biberanteil, um so feiner der daraus entstehende Filz.
In einem alten Video zeigt Herr Brömme wie früher Hasenfelle geplättet und rasiert wurden, eine Produktionsweise, die heute in ganz Europa nicht mehr zu finden ist. Ebenfalls zu sehen: die Weiterverabeitung bis zur sogenannten Fache (erstes Foto unten), die den Hutmachern als Grundprodukt diente und in stundenlanger Handarbeit erst noch gewalkt werden musste, wobei die „Fache“ ein ganzes Stück schrumpfte.
Eine ungewalkte und eine gewalkte, dadurch geschrumpfte „Fache“ im Nürnberger Hutmuseum Brömme
Während Horst Brömme eifrig an meinem Hut arbeitet erzählt er sehr interessante Geschichten seines eigenen Werdeganges, zur Geschichte des alten Gebäudes in dem wir uns befinden und selbstverständlich auch über klassische Hüte wie den Panamahut (und warum diese so teuer sind), aber auch über den Bowler, dessen Form ich in einem der Regale entdecke. Herr Brömme hat natürlich gleich die passende Geschichte dazu parat, was es mit dieser besonderen Hutform auf sich hat.
Die Geschichte des Bowler Hutes
Das wird bestimmt meine nächste Anschaffung. Ein echter „Bowler“, manchmal auch Melone genannt.
Eine Melone ist ein harter Filzhut mit schmaler Krempe und einer abgerundeten Krone. Wir alle kennen ihn aus zahlreichen Filmen. Angefangen bei Charlie Chaplin über Stan Laurel und Oliver Hardy bis zu Butch Cassidy und Billy the Kid – nicht zu vergessen den Mann aus „Mit Schirm, Charme und Melone“.
Die Hutform wurde erstmals im Jahre 1849 für einen gewissen Edward Coke angefertigt. Er bestellte ihn vom Londoner Hutmacher Lock & Co. (den es auch heute noch gibt) als eine Art Schutzhelm für die Jagd, der die Köpfe beim Ritt durch den Wald besser vor den Ästen der Bäume schützen sollte. Den Auftrag führten die beiden Hutmacher Thomas und William Bowler aus, weshalb die Hutform deren Namen trägt.
Ob es stimmt, dass der Kunde bei Abholung erst mit den Füßen auf dem Hut herumtrampelte, bevor er zufrieden die verlangten 12 Shilling zahlte, kann uns heute niemand mehr beweisen.
Inzwischen ist mein Hut umgeformt. Mit der Stanze werden in das lederne Innenband noch meine Initialen gesetzt. – Besuch im Nürnberger Hutmuseum
Hölzerne Hutformen. Ein Besuch im Nürnberger Hut-Museum lohnt sich.
Die Herstellung eines echten Panama-Hutes ist reine Handarbeit und es gibt verschiedene Qualitäten. Sowohl was das Material, als auch was die Dichte der Flechtarbeit angeht. – Besuch im Nürnberger Hutmuseum
Wissen! – Etwas abseits des Themas:
– Cowboy Bohnen – Cowboy Beans
– Auf dem Spargelfeld morgens um sieben – Ein Besuch
– Von der Olive zum Öl – Olivenernte in der Region Garda Trentino
– Ein Tag in Kutná Hora. – Und am Ende 40.000 menschliche Skelette
– Fränkischer Grünkern. Unreif geerntet, getrocknet und geröstet
– Was ist Spam? Vom Dosenfleisch zum Werbemüll
– Goldener Oktober in Weinfranken
Das ist ein sehr schöner Tipp, vielleicht nehmen wir den einmal war wenn es uns in diese Gegend verschlägt. Ich trage nämlich ganz gerne Hut- finde aber selten passende für meinen „Dickkopf“. Und das Traditionsgeschäft „Hut-Hanne“ in Stuttgart existiert nicht mehr…
Ja, Hutgeschäfte werden immer weniger.
Denn niemand kann mehr richtig davon leben (außer dem Hutkönig in Regensburg).
Es steckt einfach zu viel Handarbeit darin, die heute nur wenige Leute bereit sind zu zahlen.
Prima, Herr Spandl!
Endlich mal jemand, der sich zu seinem Hut bekennt und dann auch noch den letzten Hutmacher in Nürnberrg besucht und lobt. Der Artikel ist mit Herz geschrieben.
Nebenbei, ich trage ganzjährig Hut, sonst würde ich mich einfach nackt fühlen.
Beste Grüße von Hut zu Hut
Na diesen Hut-Gruß gebe ich doch gerne zurück!