Die Namensgebung spielt beim Kirschenmännle oder Kirschenmichel keine so große Rolle. Obwohl es in jeder Region Deutschlands andere Bezeichnungen dafür gibt. Recht bekannt ist auch der Kirschenplotzer (Kerscheplotzer), sicher am weitesten verbreitet dürfte aber die Bezeichnung Kirschenmichel sein. Wir Franken neigen bekanntlich stark zur Verniedlichung, weshalb das fränkische „Kirschenmännle oder Kirschenmännla“ bei uns auf den Tisch kommt.
Für mich handelt es sich dabei nicht nur um eine einfache Süßspeise aus wirklich alten Zeiten. Damit verbunden sind wichtige Kindheitserinnerungen, die mit Ferien bei meiner Oma zu tun haben.
Außerdem geht es in dem Rezept um den respektvollen Umgang mit Lebensmitteln. Denn heutzutage werden altes Brot und ebensolche Brötchen gedankenlos in den Müll geworfen. Früher sammelte man Altgebäck und machte daraus einfache Mahlzeiten für die ganze Familie.
Weil das moderne Kind heute alles im Kinderzimmer hat, was Spielwarengeschäfte, Elektronikmärkte und das Konto der Eltern hergeben, wird es Kindheits-Erinnerungen an Kirschenmännle oder Kirschenmichel nicht mehr lange geben.
Schließlich klettern Kinder heute nicht mehr auf Kirschbäume, sondern in den Ferien mit ihren Eltern in einen Flieger. Am Urlaubsort gelandet, bekommen sie das volle „All you can eat“-Programm im „All inclusive“-Paket am heißen Urlaubsort verpasst.
Die Oma des modernen Kindes geht derweil arbeiten, ist vielleicht zum zweiten Mal geschieden, und wohnt in einer 2-Zimmer-Wohnung mitten in einer Großstadt. Sie wird ihren Enkeln keine Süßspeisen wie Kirschenmännle oder Kirschenmichel mehr kredenzen. Schade!
Wie wichtig es wäre, das heute auch noch zu tun, konnte man in dem Video sehen, das früher an dieser Stelle eingebunden war. Leider hat die Firma Allegro Film wegen ihres Urheberrechtsanspruches den Ausschnitt aus „We feed the World“ bei Youtube aus dem Verkehr gezogen.
Darin war in beklemmenden Szenen ein LKW-Fahrer zu sehen, der an verschiedenen Stellen der Republik nächtens Brot einsammelte und diese ganze Fuhre am Ende einfach vom Laster kippte. Heute gibt es Bäckereien die Wärmerückgewinnung machen und ihre nicht verkaufte Ware verfeuern. Das muss man sich mal vorstellen!
Vermulich ist es ohnehin wichtiger, sich anstelle des fehlenden Ausschnitts den ganzen Filme aus der Reihe „We feed the World“ *) anzusehen. – Eine kulturelle Pflicht!
Zum Glück bin ich in den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgewachsen. Meine Oma war nicht geschieden, wohnte auf dem Land, wusste was kleine Jungs gerne essen und konnte noch Kirschenmännle oder Kirschenmichel zubereiten.
Und so gab es keine Sommerferien (die ich gefühlt oft wochenlang bei meinen Großelteren verbrachte) in denen nicht leckere Aufläufe aus alten Brötchen auf dem Mittagstisch standen. Einer davon war, neben dem sogenannten Ofenschlupfer mit Äpfeln, das Kirschenmännle oder Kirschenmichel. Restliches Brot wurde damals einfach beim benachbarten Bauernhof an die Schweine verfüttert.
Die Erinnerung an den wunderbaren Geruch des gebackenen Auflaufs, des Zimts und der Vanillesauce bringt mich alljährlich dazu, die gesamte Familie kulinarisch damit zu knechten ;-). Kürzlich war es wieder so weit!
Kirschenmännle oder Kirschenmichel ist egal. Hauptsache ohne Kerne
Kirschenmännle oder Kirschenmichel mit Vanillesoße
Zutaten
Für den Kirschenauflauf benütigt man
- 750-1000 g Herzkirschen (unbedingt entsteint!)
- 6 alte Brötchen
- 375 ml Milch
- 125 g Butter
- 125 g Zucker
- 5 Eigelb
- 5 Eiweiß
- 1 Prise Salz
- 1 Msp. Zimt
- 100 g Mandeln, gehobelt
- Semmelbrösel
- weitere Butter für die Form
Für die Vanillesoße:
- ½ L Milch
- 4 Eigelb
- Mark von einer Vanilleschote
- 20 g Zucker
- 75 ml Sahne
- 75 ml Crème Fraîche
Anleitungen
Zubereitung Kirschenmännle oder Kirschenmichel:
- Die Brötchen in feine Scheiben oder Würfel schneiden und mit der erwärmten Milch übergießen.
- Die zimmerwarme Butter mit etwa 100 g Zucker, Eigelb und Gewürzen (Salz, Zimt) schaumig rühren.
- Die gehobelten Mandeln und die eingeweichten Brötchen daruntermischen.
- Die Kirschen waschen, entsteinen und unter die Auflaufmasse geben.
- Zuletzt den mit dem restlichen Zucker sehr steif geschlagenen Eischnee unterziehen.
- Die Masse in eine gut ausgebutterte und mit Bröseln ausgestreute Form geben. Im auf 160 Grad vorgeheizten Ofen ca. 50-60 Minuten backen.
Zubereitung der Vanillesoße
- Für die Vanillesoße die Milch kurz aufkochen. Zucker, einen Teil der Sahne und die vier Eigelb mit dem Vanillemark aufschlagen und in die noch heiße Milch einrühren.
- Etwas abkühlen lassen, dann die restliche Sahne und die Crème Fraîche untermischen.
- Für den Fall, dass das Ei in der Flüssigkeit kleine Flöckchen gebildet haben sollte, empfiehlt es sich die Soße durch ein sehr feines Sieb streichen. Dann kühl stellen.
- Die Vanillesoße zum Kirschenmännle oder Kirschenmichel servieren.
Unser Kirschenmännle oder Kirschenmichel vor dem Backen
Kirschenmichel auf Pinterest merken
Kirschenmännle oder Kirschenmichel und mehr alte Rezepte im Blog
– Semmelknödel hausgemacht
– Rhabarberauflauf mit Baiserhaube
– Kartäuserklöße mit Rotweinschaum
– Apfelküchle deluxe mit Schokoeis
– Schwarzbrotcreme mit marinierten Kirschen & Minzpesto – Brotcreme
– Aus der Pfanne: Karamellisierter Apfelschmarren
– Kaiserschmarrn mit Topfen und Roter Grütze
– Apfelchips selbst gemacht. – Mit biblischem Hintergrund?
Mein Mann wünschte sich schon lange ein Kirschenmännla wie von seiner Oma, leider gibt es kein Rezept von ihr, deshalb recherchiert ich und fand das dein Rezept sehr lecker klingt. Und es war auf Anhieb ein voller Erfolg! Total lecker und mein Mann war begeistert, da es wie bei der Oma schmeckt:-) das gibt es jetzt öfter. Ganz herzlichen Dank aus Franken!
Durch Zufall bin ich auf diese Seite gestoßen und bin begeistert. Viele Rezepte sind mir bekannt, aber die Geschichten dazu, sind es die mich so erfreuen.
Gerade bei Kirschenmichel, der bei uns eher Käschemischel heißt hab ich den Kopf voller Bilder. Allerdings wohne ich auf dem Land und am Haus steht ein 5 Meter hoher Kirschbaum und ich bin die Oma.
Jawohl, Käschemichel gilt auch.
Hauptsache er kommt überhaupt noch auf den Tisch!
Und: wir Großeltern müssen zusammenhalten!
Sitze nun schon Stunden vor deinem ganz wunderbaren Küchenblog.
Braucht eben Zeit bis man alles gelesen hat, dabei habe ich erst einen Teil davon gesehen, aber vieles davon bereits auf meine Nachkochliste gesetzt.
Bei uns wird dieses obige Gericht Scheiterhaufen genannt besteht auch aus altem Brot, Weckerln oder Kipferln aber statt der Kirschen sind Apfelstückchen drinnen.
Danke für die vielen Anregungen und wundeschönen Fotos so dass man gleich Appetit auf die Speise bekommt.
LG Karin
Hallo Karin,
ja, Scheiterhaufen heißt das bei uns auch, wenn Äpfel drin sind.
Für mich ist aber das Kirschenmännle oder der Kirschenmichel noch wichtiger, denn den gibts bei uns nur wenn Kirschensaison ist. Und die ist bekanntlich kurz, während man mit Äpfeln ja das ganze Jahr über hantieren kann.
Freut mich, wenn Ihnen mein Blog gefällt. Er ist immer noch am wachsen….
Ja, es gibt schon einige Kindheitserinnerungen aus den Sechzigern. In diese falle ich auch hinein. Des Kerschnmännla ist mir natürlich auch bekannt. Aber so eine feine Vanillesoße gabs bei uns nicht. Und eine Oma hatte ich leider auch keine solche. Das kochte bei mir die Mutter, aber genauso typisch fränkisch. Im Kohleherd noch und meist samstags, weil da mehr Zeit war.
Gute Idee fürs heutige Essen.
Einen Essensgruß noch dazu
Marianne
… und ach noch was: Das Brot bzw. Brötchen werden bei mir nicht weggeworfen. Getrocknet gibts da Semmelbrösel daraus (den Küchenmixern sei dank) und die kann man zu Semmelklößchen umwandeln.
Da stimme ich Dir voll zu. Es gibt viele Rezepte, die mit Kindheitserinnerungen verbunden sind und dieses für mich auch sehr. Bei uns heisst es „Kirschpfanne“ und wenn Du möchtest, hier steht mein Rezept:
http://oberstrifftsahne.blogspot.de/2012/06/aus-der-kramkiste.html
Hallo Peter! DAnke für dein Rezept, ich muss morgen Kirschenmichel bei uns im Altenheim zubereiten und ausgeben. Wollte nach einem anderem Rezept umsehen, deiner ist wie unserer. Ich verstehe nur nicht warum bei uns so viel Reklamation kommt, obwohl dieses Rezept die Schwaben mögen!
Ein schöner Artikel und ein leckeres Rezept.
Ich sammle alte Brötchen und Brotreste auch. Ich würfel alles, friere es ein und mache dann, wenn eine genügend große Menge vorhanden ist, einfach leckere Semmelknödel daraus. Meine Familie liebt sie!
Ansonsten wird getrocknetes Brot hier auch gerne an Nachbars Pferde und Hasen verfüttert, ich tue mich mit Wegschmeißen insgesamt auch sehr schwer!
Semmelknödel sind der Hit.
Wenn Du die magst, probier doch mal diese Varante:
https://aus-meinem-kochtopf.de/2011/semmel-als-servietten-knoedel/
Das mit den Oliven ist für die Kinder sicher grenzwertig, die kann man aber auch weglassen…
Jede Region scheint ein eigenes Rezept und einen eigenen Namen für diese Art Kischkuchen zu haben. Bei uns in der Region heißt er Kirschenplotzer (Familienrezept gebloggt) und in der Schweiz, gesehen bei Anonyme Küche, Kirschentschu. Für die nächste Saison habe ich ein neues Rezept zum Ausprobieren! Sieht nach: *die Schüssel reicht für mich* aus :)
Na dann wünsche ich guten Appetit. Wobei ich die Bezeichnung Kirschkuchen hier nicht gelten lassen würde. Für mich gehört das eindeutig in eine Kategorie „Auflauf“.