Beim durchblättern vieler Fachzeitschriften und auch in manchen Kochbüchern bekommt man den Eindruck, ein modernes Lamm würde nur aus seinem Carree bestehen, das Hähnchen nur aus der Brust, das Schwein existiert gerade noch so wegen der Schnitzel und seiner Lendchen, die Ente und die Gans ziehen ihre Daseinsberechtigung ohnehin nur aus Leber und Brust.
Vom Kalb lassen wir uns Medaillons, Leber und Zunge schmecken, und vom Rind scheinen nur die Bäckchen und das Filet genießbar. Naja, vielleicht noch das Entrecôte beziehungsweise das Rumpsteak.
Viele Körperteile unserer sogenannten Nutztiere kommen auf jeden Fall in den erwähnten Publikationen und scheinbar auch in deutschen Küchen gar nicht mehr vor. Übrigens auch nur selten in Blogs – dabei fasse ich mich an die eigene Nase. Ein Grund mehr, hier künftig eine Lanze zu brechen für die anderen, unbekannteren Stücke unserer Nutztiere.
Wenn wir sie schon aufessen, dann bitte mit viel Respekt und noch mehr Ahnung davon, was wir denn gerade auf dem Teller liegen haben.
Auf den Gedanken, mich mit dieser Materie auch etwas zu befassen, brachte mich kürzlich der Besuch in einem Großmarkt. Dort im Fleischregal lag etwas, von dessen Existens ich bis dahin selbst keinen blassen Schimmer hatte. Das Zungenstück eines Rindes.
Nun ist das so eine Sache mit den Fleischstücken. Was man im Rest Deutschlands vermutlich Bürgermeisterstück nennt, nennt der Volksmund in Bayern nun mal „Pfaffenstück“ und die Österreicher sagen angeblich „Hüferschwanzerl“ dazu.
Andere Fleischstücke bekommt man überhaupt nicht zu kaufen. Um das menschliche Dasein etwas zu verkomplizieren, nennt man den Nierenzapfen in Österreich schon mal Herzzapfen! Der Nierenzapfen ist übrigens ein kräftiger Muskel mit großem Wohlgeschmack, den ich inzwischen auch ausprobiert habe. Daran sind in der Bauchhöhle der Rinder die Nieren angewachsen. Wenn sich außer mir und ein paar anderen Spezialisten niemand dafür interessiert, kommen die vermutlich immer in die Wurst . . .
Das besagte Zungenstück nennen unsere österreichischen Nachbarn jedenfalls „Vorschlag“. Hierbei handelt es sich um ein Stück aus dem Halsbereich der Tiere, es wird also auch als Rinderhals verkauft und eignet sich zum kochen, braten und für Gulasch. Es ist schön marmoriert und rein vom Wuchs des Rindes her, folgt es auf den Kopf der Tiere zu, nach der Hohen Rippe. Es war im Einkauf ein Stück weit günstiger als diese. Auch ein Grund, es für meinen geplanten Kräuterbraten auszuprobieren.
HINWEIS: Wer auf der Suche ist, nach anderen, nicht unbedingt alltäglichen Fleischstücken von Rind und Schwein, findet in diesem Blog mehr zum Thema unter dem Stichwort Ganzkörperverwertung. Dazu zählen auch Innereien.
Das schönste an so einem feinen Braten soll ja für manche Leute gar nicht unbedingt das Endergebnis auf dem Teller sein (echt?) sondern die Tatsache, dass während der gesamten Garzeit mehrere Kapitel im spannenden Taschenbuch gelesen, oder zwei komplette Filme auf dem Sofa konsumiert werden konnten, während der Herd die Hauptarbeit erledigt.
Kräuterbraten. Die Zutaten für 6-8 Personen:
* 2 kg Zungenbraten oder Hochrippe
* jeweils ½ Bund Thymian, Rosmarin und Oregano
* 2 EL Öl
* 2 Zwiebeln
* 2 Karotten
* 1 Stück Knollensellerie
* 2-3 Tomaten
* 3 Knoblauchzehen
* 50 ml Weißwein
* 400 ml Rinder- oder Kalbsfond
* Salz & Pfeffer
* 2 EL esiskalte Butter in kleinen Stückchen
* Küchengarn und Fleischthermometer.
Zubereitung Kräuterbraten:
Das Fleisch mit Pfeffer und Salz einreiben. Die Kräuter auf das Fleisch legen. Alles mit dem Küchengarn fixieren, dann das Fleisch in etwas Öl ringsum kräftig für mehrere Minuten anbraten. Das Fleisch sollte schon Farbe bekommen, die Kräuter dürfen dabei aber nicht verbrennen! Dann den Kräuterbraten aus dem Bräter nehmen. Den Ofen auf 100 Grad Ober- und Unterhitze (nicht Umluft) vorheizen.
Unterdessen das ganze Gemüse mit dem Knoblauch in Würfel schnippeln und in dem Bratenansatz kräftig anbraten. Mit etwas von dem Kalbs- oder Rinderfond ablöschen. Das Fleisch auf das Gemüse setzen. Den Bräter bei der gewählten, niedrigen Temperatur in den Ofen geben und dort für etwa drei bis dreieinhalb Stunden belassen.
Der Kräuterbraten sollte, um ihn medium zu haben, eine Kerntemperatur von 60 Grad (noch etwas blutig) bis 63 Grad (à point) erreichen. Bei 68 Grad Kerntemperatur ist das Fleisch dann „durch“ aber innen noch ein bisschen rosa. Bei allem was darüber hinaus geht kann man nur sagen: Schade um das Fleisch. Es wird mit Sicherheit nur fester und somit „zäher“.
Das Fleisch nach der regulären Garzeit dicht in Alufolie einpacken und beiseite legen. In die Bratpfanne zu dem Gemüse nun den Weißwein und den restlichen Fond geben. Alles auf einer Herdplatte auf zwei Drittel der ursprünglichen Menge einkochen. Den Großteil des Gemüses abschöpfen oder die verbliebene Flüssigkeit durch ein Sieb geben. Einen kleinen Rest des Gemüses mit der Soße und dem Zauberstab aufmixen, abschmecken und die kalte Butter einmontieren.
Das Küchengarn ab, und den Kräuterbraten aufschneiden. Den auslaufenden Saft des Kräuterbratens auf jeden Fall noch in die Soße mischen. Gegebenenfalls kurz vor dem Servieren nochmals einige Zweige frischer Kräuter in die Soße legen.
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Hallo, bin ganz neu in diesem blog. Komme aus München und lebe seit 30 Jahren in Niedersachsen. Ich koche seit mehr als 30 Jahren und koche auch gerne Innereien. In einem von mir gegründeten Kochklub versuche ich meine Freunde an Niere, Leber, Herz etc. heranzuführen. Kalbsbries war für die eine Innerei!
Leider muss ich auch andere Fleischstücke (Kalbsbrust) vorbestellen. Und dann wird es auch richtig teuer. Aber ich gebe nicht auf, deshalb werde ich diesen Blog weiterhin verfolgen und auch Gerichte, von mir gekocht, einstellen.
Gutesv Kochen
Heinz
Fleischstücke ‚vorzubestellen‘ (und dann auch noch ein Tierkind wie Kalb, welches grausam schlecht und im Dunklen gehalten wird!), bedeutet:
EIN TIER WIRD EXTRA FÜR DICH GETÖTET, GESCHLACHTET!
Das ist widerlich und vollkommen unnötig und SEHR egoistisch, sofern die Fleischtheken noch voller anderer Fleischstücke liegen!!! EINMAL über menschliches Verhalten nachdenken, das hülfe so manches Leid ersparen in dieser Welt! Man sollte aus Respekt vor diesen armselig gehaltenen Wesen WEDER Tierkinder essen, NOCH Fleisch ‚VORBESTELLEN‘! Nie! ^^
Aber abgesehen davon:
gefällt mir der Gedanke des Blogs, dass wenigstens das GANZE Tier genutzt werden soll, wenn es schon für uns sterben und leiden muss!
Auch, wenn ich denke, dass ‚Reste‘ und gutes Fleisch in die Tierfutter-Herstellung und die Dosen gehören, damit unsere geliebten Haustiere sich nicht von gezuckertem Sojamüll und ungesundem anderen Mist ernähren müssen – und so auch gesund bleiben dürfen bis ins hohe Alter, statt vorher an diversen und vermeidbaren Krankheiten zu verrecken durch miserables, unnatürliches Futter mit guter Werbung! ;>
In diesem Sinne!
Würd‘ mich freuen, wenn das hier trotz Kritik veröffentlicht wird. ;)
Bin übrigens selbst Fleischesser (auch wenn ich vom Herzen her gerne Veganer wäre).
VG, Norma
Hallo Norma,
Du verstehst sicher, dass ich mich an dieser Stelle nicht auf eine solche Diskussion einlassen möchte, die ohnehin zu keinem Ergebnis führt.
Mit besten Grüßen, Peter
Hallo Peter,
da muss ich sagen, eine Diskussion meinerseits war auch in keinster Weise beabsichtigt! :)
Ein Statement reicht völlig.
Und falls es nur EINEN zum Nachdenken anregt… ;)
Mit besten Grüssen und noch viel Erfolg mit dem Blog,
Norma
So, auf dem Herd simmern die confierten Knoblauchzehen (zugegebener Maßen hat das nichts mit dem Kräuterbraten zu tun, ich wollte nur die Zeit des Wartens gut nutzen) , im Herd dümpelt bei 100 Grad das wundervolle Zungenstück vor sich hin, gleich bereite ich die Brezenknödel zum Braten – das Leben is(s)t schön. Vielleicht vorneweg einen Fenchel-Orangensalat mit schwarzen Oliven … Was wollte ich eigentlich sagen? Ach ja, wie herrlich, dass es noch Blogs gibt, in denen noch von ganzen Tieren die Rede ist, wo es noch Rezepte gibt für Fleischstücke, die kaum noch jemand mit Namen kennt. Wer solche Stücke sucht, läuft auch selten Gefahr, dass es diese in den Kühltheken bekannter Lebensmittelketten und -märkten gibt. Ich komme aus Bayern und lebe schon seit vielen Jahren im Rheinland. Wie blauäugig ich doch war, als ich mal für eine Rindssuppe mit Milzschöberl in einen Kölner Metzgerladen ging und nach frischer Milz fragte. Mit den ruppigen Worten: Das ist doch Hundefutter!, wurde ich unfreundlich und bestimmt aus dem Laden komplimentiert. Soviel zum Thema Migration … Um es deutlich zu sagen: ein toller, interessanter, speichelflussanregender Food-Blog! Weiter so, ich freu‘ mich, ganz viel Leckeres und Interessantes hier zu entdecken.
Vielen Dank Carmen.
Ihr Kommentar hat mich sehr gefreut!
Nochmal für fachliches Hintergrundwissen:
Pfaffenstück (DLG Bezeichnung: Blume)
Bezeichnung für Rinderhüfte
Zungenstück oder Bürgermeisterstück ist keine Hüfte!
Alle beiden Fleischteile sind jedoch aus der Keule, also von hinten nicht von vorne!
Aber das tut ja der Perfektion des oben gezeigten keinen Abbruch, da es ja keines der beiden Stücke ist, sondern ein Teilstück aus dem Rücken (Hohe bzw. Niedere Rippe)
Echt leckere Fotos!!!
Vielen Dank für die kleine Unterrichtsstunde ;-)
du wirst uns ja dann davon berichten,bin auch sehr gespannt.muss mal mit meinem metzger sprechen
Gefällt mir sehr gut, was du da machst ;-) Bei mir hat das mit einem selbstauferlegten Filet-Verbot begonnen – denn wie Heike schon sagt, wenn sie schon für uns sterben, dann haben wir uns auch um das komplette Tier zu kümmern. Im Dezember gehe ich zu einem Kockkurs, bei dem ein ganzes halbes Rind verarbeitet wird, was sicher eine großartige Erfahrung wird. Neben den vielen Erzeugern in meiner Umgebung habe ich mittlerweile auch noch einen tollen Metzger aufgetrieben, der mir wiederum bisher alles auftreiben konnte. Ich bin sehr gespannt, was es noch alles zu entdecken gibt!
Ich greife auch gerne zu den Fleischstücken abseits vom Main Stream Geschmack. Und wurde schon oft belohnt :-)
Außerdem kaufen wir ganzes Lamm vom Kleinbauern und ganzes Reh vom Jäger – da muss sowieso das ganze Tier verwertet werden. Und was für schönen Fond man noch daraus ziehen kann!
Uuups. Dein Kommentar landete bei mir im Spam-Ordner.
Sorry dafür. Keine Ahnung warum.
wo bekommt man solche köstlichkeiten zu kaufen, selbst bei einem guten metzger ist das schwierig.
mein magen fängt an zu knurren, sieht zu gut aus und schmorfleisch ist für mich das non plus ultra
Komme grad von Micha drüben und jepp: Ganz deiner Meinung.
Die Tiere bestehen verdammt nochmal aus mehr als nur den „besten“ Stücken und wenn sie schon für uns sterben, dann müssen wir auch alles verwerten.
Viele wissen ja leider gar nicht mehr, was man mit Fleisch abseits von Steak und Co anstellt.
Na dann sind wir ja schon mal einer Meinung ;-)
Abgehen davon, dass dein Schmorgericht den Obelix in einem wachruft – sieht nämlich köstlich aus – finde ich deine Überlegungen sehr interessant.
Was verwerten wir von einem geschlachteten Tier überhaupt, beziehungsweise was kann der *Endverbraucher* überhaupt noch zubereiten. Spanndende Fragestellung!
Wir werden es vermutlich nie erfahren was der „Endverbraucher“ dazu meint.
Denn der Endverbraucher greift in die Tiefkühltruhe und holt sich die nächste Pizza oder die fertig paniereten Hähnchen-Nuggets heraus.
Bestimmt liest er keine Kochblogs. Leider.