Mit Fotogenehmigung zu Besuch in der Molkerei Pfunds in Dresden! – Kommt man in fremde Städte, so lohnt es sich meistens eine Stadtrundfahrt zu buchen. Auch wenn man dabei Reinfälle erleben kann und eventuell von dem Gefühl beschlichen wird, die Preise dafür seien recht happig. Was absolut für die Stadtrundfahrt spricht ist ein bisschen Orientierung und der schnelle Überblick, den man dadurch gewinnen kann.
Für Leute die keinen Reiseführer in der Tasche haben ist sie jedenfalls ein Muss, aber selbst für die, die einen solchen mit sich führen, kann eine Stadtrundfahrt sehr nützlich sein. Wer käme zum Beispiel ausgerechnet in Dresden auf die Idee einen Milchladen zu besuchen? Wo gibt es überhaupt noch Milchläden? In Dresden gibt es immerhin den schönsten der Welt. Und das ist keine Bezeichnung die einfach so dahin gesagt ist.
Schon Erich Kästner schrieb in seinem Roman „Als ich ein kleiner Junge war“ von Pfunds als dem „schönstem Milchladen der Welt“. Aber wer liest heute noch Kästner? Für den modernen Menschen muss der Titel „schönster Milchladen der Welt“ untermauert sein. Am besten durch einen Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde – der im Jahr 1998 übrigens auch erfolgte!
Es gibt hunderte von Artikeln im Internet über den tollen Laden, in denen aber immer der gleiche Text steht, den ich hier nur stark verkürzt wiedergeben will. Darin wird erzählt, dass der Herr Paul Pfund (1849–1923) eine gute Geschäftsidee hatte.
Im Jahr 1879 zog er deshalb mit Frau Mathilde, sechs Kühen, ebensoviel Schweinen und festen Vorstellungen nach Dresden. Er wollte die schlechte Milchversorgung in der Stadt künftig möglichst frisch gewährleisten und hatte damit durchschlagenden Erfolg. Die Kunden konnten durch ein Fenster im Verkaufsraum zusehen, wie die Kühe gemolken, die Milch zweimal durch feine Tücher gesiebt und abgekühlt wurde.
Übergangslos geht die Fliesenkunst von der Wand an die Decke über. Ein Besuch bei Pfunds in Dresden lohnt sich.
Kurz nach der Gründung trat sein Bruder Friedrich als Teilhaber in das Unternehmen mit ein. Dieser war eigentlich herzoglich weimarischer Hofschauspieler und verfügte scheinbar über gute Kontakte und das Geschick, bekannte Persönlichkeiten von der Idee des Unternehmens zu überzeugen und so wichtige Kunden zu gewinnen. Das Geschäft expandierte, es musste umziehen um sich vergrößern zu können. Bruder Friedrich verstarb allerdings bereits drei Jahre nach seinem Eintritt in die Firma.
Im Dresdner Stadtarchiv gibt es einen kurzen Text über Pfunds in Dresden, aus dem hervorgeht:
„Längst konnten seine Kühe den Bedarf an Frischmilch nicht mehr decken. Mittels eigener Pferdewagen wurde Milch aus den Dörfern in die Molkerei geholt und die Molkereiprodukte an die firmeneigenen Milchläden, aber auch an andere Geschäfte in der Stadt geliefert.
Die Molkerei Gebrüder Pfund hatte zahlreiche Milchgeschäfte in Dresden und besaß bald Filialen im In- und Ausland. Sie setzte sogar mobile Milchläden ein und betrieb Getränkepavillons in Parkanlagen.
Wie wird ein Gebäude zum Denkmal?
Auf der Webseite der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gibt es einen Eintrag in dem es unter anderem heißt:
… Es gab Niederlassungen in Berlin und Hamburg, ein Handelsbüro in London und seit 1904 eine Kondensmilchfabrik im böhmischen Lobositz. Die Erzeugnisse wurden nach England, Afrika, Indien, China, Japan, Mittel- und Südamerika exportiert …
… Für seine Verdienste um Sachsens Wirtschaft und Volksgesundheit wurde Paul Pfund 1900 zum Königlich Sächsischen Kommerzienrat ernannt …
… An den keramischen Elementen nagte jedoch in den 1990er Jahren der Zahn der Zeit. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz half, diese einmaligen Kostbarkeiten in ihrer Gesamtheit des Milchladens zu bewahren und beteiligte sich an der Restaurierung.
Der Betrieb verfügte nicht nur über eine eigene Betriebskrankenkasse und Dienstwohnungen, sondern auch über einen Kindergarten, ein eigenes Labor, eine Kartonagenfabrik, Druckerei, Schmiede, Schlosserei, Schneiderei, Lackiererei und Tischlerei. Es gab einen Festsaal mit Theaterbühne, ein Bad und eine Bierschwemme für die Kutscher.“
Im Jahr 1905 hatte die Firma bereits 447 Beschäftigte, 1909 verkaufte man 20 Millionen Liter Milch und 1930 gab es schon 55 Filialen. Dieser Erfolg kam natürlich nicht nur durch die Molkerei zustande. Da Paul Pfund sich stets für neueste Verfahrenstechniken interessiert, stellte die Molkerei Gebrüder Pfund seit 1885 pasteurisierte Milch her. Und 1886 richtete Pfund die erste Kondensmilchfabrik Deutschlands ein. Damit begann auch der Erfolg des Unternehmens im Ausland.
Die wunderschöne Verkaufs-Theke bei Pfunds in Dresden bietet unter anderem eine schöne Käseauswahl. Foto: © Peter G. Spandl
Unverträglichkeit von Milchprodukten wächst
Heutzutage würde Pfund sicher Laktosefreie Milch herstellen, denn die modernen Menschen scheinen für „normale“ Milch nicht mehr gemacht zu sein. Etwa 75% der erwachsenen Weltbevölkerung leidet ohnehin an Laktoseintoleranz. Dazu zählen aber bereits alle Menschen in deren Kulturkreis es noch nie üblich war, regelmäßig Milchprodukte zu sich zu nehmen. In Deutschland leiden inzwischen angeblich 15–25 % der Gesamtbevölkerung an einer Milchzuckerunverträglichkeit.
Da sich Laktose nicht nur in purer Milch, sondern auch in Milchprodukten wie Sahne, Joghurt, Quark aber auch Käse befindet, ist es vielleicht ganz interessant zu erfahren, in welchen Produkten sich wieviel davon befindet. Eine schöne tabellarische Übersicht habe ich hier gefunden (ziemlich weit unten).
Wenn wir dem Herrn Pfund nochmals über die Schulter schauen könnten, würden wir ihn bei der Herstellung von Kindernahrung in guter Qualität sehen, die damals sogar half, die Kindersterblichkeit zu senken. Gerne ließ er Milchseife produzieren, was den Bekanntheitsgrad der Firma Gebrüder Pfund weiter steigerte und die man heute noch erwerben kann.
Handgemalte Fliesen von Villeroy und Boch bei Pfunds in Dresden
Was ein bisschen schade ist, ist die Tatsache, dass es kaum Quellen darüber gibt, wie es 1891 zu der phänomenalen Ausstattung des Ladengeschäfts in der Bautzner Straße kam. Noch heute verstrahlt der Laden sein wunderbares, altmütterliches Ambiente. Handbemalte Kacheln von Villeroy und Boch gibt es bei Pfunds in Dresden wohin das Auge fällt. Zusammen 248 qm Fläche. Jede einzelne wunderschön bemalt, zusammengefügt zu tollen Gesamtkunstwerken an den Wänden, dem Tresen und sogar an den Decken der Räume. Dazu üppige Lampen!
Früher gab es noch einen Milchbrunnen, der allerdings schon seit Jahrzehnten verschollen ist. Eine originalgetreue Kopie davon steht seit 2009 an der ursprünglichen Stelle, dieser Nachbau hat aber nur dekorative Funktion.
Im schönsten Milchladen der Welt. Pfunds in Dresden
Zum Glück überstand der Laden durch seine Lage die Bombardierungen Dresdens im zweiten Weltkrieg. 1970 wurde er von der DDR verstaatlicht und 1978 geschlossen. In den 1990er Jahren gelang eine Wiederbelebung des Geschäfts. Heute geht gut eine Tonne Käse pro Monat über die schöne Theke und rund 40 000 Stück Milchseife nach altem Pfunds-Rezept werden pro Jahr verkauft.
Bei Pfunds in Dresden ist Fotografieren verboten!
Falls Sie den Laden nicht gleich finden: buchen Sie einfach eine Stadtrundfahrt. Der Bus hält garantiert vor dem Geschäft und Sie bekommen die Gelegenheit sich umzusehen. Was allerdings nicht erlaubt ist: Fotografieren! Dafür benötigt man eine schriftliche Genehmigung der Geschäftsleitung, die ich mir vorher eingeholt habe! – Alle Fotos: © Peter G. Spandl
Öffnungszeiten: Mo.-Sa. 10 bis 18 Uhr, So. und Feiertags 10 bis 15 Uhr
Fliesen-Detail bei Pfund in Dresden. Foto: © Peter G. Spandl
Der Wahlspruch der Gebrüder Pfund wurde gleich mit in die Wand eingestezt.
Die Säulen im Ladengeschäft von Pfunds in Dresden sind ebenfalls mit Keramikschmuck verziert
Wunderschöner Hinweis auf die Zahlstelle bei Pfunds in Dresden! Foto: © Peter G. Spandl
Selbst die kleinen Schränke bei Pfunds in Dresden sind liebevoll mit Keramik-Fliesen verziert. Foto: © Peter G. Spandl
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Schöne Seiten die ich da zufällig gefunden habe.
Und Dank für Ihren Bericht über den Milchladen.
Der Laden jedoch wurde erst 1989 geschlossen,
bis dahin war er in den Händen der DDR Handelsorganisation HO.
Herzlichst
Paul Pfund
Sehr geehrter Herr Spandl,
Ich habe einen Bericht über Pfunds Molkerei in Dresden für die englischsprachige Internetseite http://www.bubblews.com geschrieben. Gern würde ich eines Ihrer schönen Fotos als Illustration verwenden. Darf ich das?
Vielen Dank im Voraus und freundliche Grüße
Marie-Luise Strömer
Eines dürfen Sie schon verwenden.
Ein Rücklink auf meine Quelle (auch wenn es Sprachprobleme geben kann) ist sicher nicht zu viel verlangt. – Oder?
Mit freundlichem Gruß, Peter
Freut mich, dass der Tip gut war.
Tolle Aufnahmen, Peter. Vielen Dank.
Und es gibt immer wieder Neues zu entdecken.
Die sächsische Süssspeise Quarkkeulchen hast Du
sicher auch in Dein Repertoire aufgenommen.
Liebe Grüße, Wieland und Marianne.
Hallo Wieland,
die Quarkkeulchen habe ich nicht im Programm. Aber die sächsische Eierschecke steht auf der Liste ganz oben!
Liebe Grüße, Peter
Wirklich sehenswert , und essenswert die Dresdner Eierschecke…..hast du die auch gekostet?
Nein Petra,
aber die steht auf unserer aktuellen Backliste ganz, ganz, weit oben!
Lohnt sich, oder? Ich liebe Pfunds Molkerei! Schön, dass es dir auch so gut gefallen hat.
Liebe Grüße aus der Nähe von Dresden
Sandra
Ja, ist wirklich sehenswert, Sandra!
Frage mich nur, warum ich vor meinem Besuch dort nie etwas darüber gehört habe. Auch nicht von Freunden und Bekannten, die Dresden längst besucht hatten…
…echt nicht? Ist doch in Dresden eine Institution