Nürnberger Lebkuchen und mein Saisonstart

Nürnberger Lebkuchen

Der Beginn der Saison für Nürnberger Lebkuchen ist alljährlich eine harte Zeit für mich. Gerade hat man sich an den Sommer gewöhnt, also Mitte August oder spätestens Anfang September, schon geht es los. Häufig bei annähernd 30 Grad und Sonnenschein. Es ist ein Jammer!

Dass es die Nürnberger im Jahr 1643 auch schon so hielten, als die Stadtoberen das Lebkuchengewerbe endlich als eigenständiges Handwerk anerkannten, das bezweifle ich stark. Bereits 14 Lebkuchenhäuser befanden sich damals innerhalb der Stadtmauern und für alle wurden ausführliche Bestimmungen festgelegt. Dabei ist der Verdacht, fränkische Klosterbrüder seien die eigentlichen Erfinder der ganzen Lebküchnerei, geschichtlich nicht ganz von der Hand zu weisen.

Schließlich wurde schon so manche Leckerei hinter Klostermauern zum Spitzenprodukt entwickelt. Von Patres, die Honig- und Pfefferkuchen herstellten ist jedenfalls schon in sehr alten Überlieferungen die Rede. Wie ernst die ganze Lebkuchen-Angelegenheit für meine Stadt ist, kann man daran erkennen: Im Germanischen Museum in Nürnberg (besteht bereits seit 1852) wird seit langem ein Lebkuchen-Rezept sehr gut aufbewahrt, das aus dem 16. Jahrhundert stammt.

Nürnberger Lebkuchen nach alten Maßeinheiten?

Nürnberger LebkuchenMir wird es vermutlich kaum gelingen, das Rezept nachzubacken, außer ich finde vorher noch heraus, wieviel denn ein Quentlein Pfeffer und vor allem wieviel ein Diethäuflein Mehl ist. In der Rezeptur im Museum werden folgende Zutaten genannt:
„1 Pfund Zucker, ½ Seidlein oder 1/8erlein Honig, 4 Loth Zimet, 1 ½ Muskatrimpf, 2 Loth Ingwer, 1 Loth Caramumlein, ½ Quentlein Pfeffer, 1 Diethäuflein Mehl – ergibt 5 Loth schwer.“

Da gute Lebkuchen-Rezepte aber von Generation zu Generation überliefert, und selbstverständlich streng geheim gehalten werden, traue ich dem Museumsstück nicht so ganz über den Weg. Auch wenn es noch so alt ist. Wieso wird da z.B. Zucker als Zutat genannt?

Vermutlich wurde das Rezept von einem schlauen Lebküchnermeister, der natürlich niemals vorhatte sein Rezept zu verraten, einem rasenden Reporter im 16. Jahrhundert in den harten Griffel diktiert, nur damit dieser endlich Ruhe gibt und wieder aus seiner Backstube verschwindet.

Warum nun ausgerechnet die Stadt Nürnberg zum Zentrum der Lebküchner wurde? Das liegt an ihrer geografischen Lage. Über berühmte Handelsstraßen, die sich hier kreuzten, wie zum Beispiel die „Goldene Straße“, kamen schon sehr früh wertvolle Gewürze und Zutaten nach Nürnberg. Die reichen Händler und Patrizier der Stadt wurden, ebenso wie andernorts, nicht umsonst als „Pfeffersäcke“ bezeichnet.

Der Kiefernwald (Reichswald) rund um die alte Reichsstadt wird als Steckerlaswald bezeichnet
Der Kiefernwald (Reichswald) rund um Nürnberg wird liebevoll als Steckerlaswald (genau genommen Schdeggerlaswald, denn in Nürnberg gibt es kaum „t“ oder „ck“) bezeichnet

Honig von Zeidlern aus dem „Steckerlaswald“ für Nürnberger Lebkuchen

Im noch heute so genannten „Reichswald“ rund um Nürnberg, gab es in jenen Zeiten nicht nur Raubritter und Wegelagerer. Deren Ziel war selbstverständlich das Geld der Pfeffersäcke. Aber es gab auch den Berufstand der „Zeidler. Das waren damals weniger Imker und Bienenzüchter, vielmehr hatten sich Zeidler darauf spezialisiert, gewerbsmäßig den Honig wilder oder halbwilder Bienenvölker zu sammeln.

Und Honig ist ein wichtiger Rohstoff für Nürnberger Lebkuchen, den sie den Lebküchner liefern konnten. Gewürze waren damals wertvolle Luxusgüter und die Lebkuchen galten lange Zeit als Delikatesse – nur für besondere Anlässe.

Diesen Brauch habe ich übernommen. Sollte den Lebkuchenherstellern der Stadt demnächst einfallen den Start der Lebkuchen-Saison auf Ostern vorzuziehen, so werde ich trotzdem nur in der Adventszeit Lebkuchen genießen. Bis dahin ist auch der gemeine Bratapfel vor mir sicher, und sei er noch so gut gefüllt.

Kleiner Nachtrag: Der Reichswald um Nürnberg wird von den Einheimischen gerne als „Steckerlaswald“ (Schdeggerlaswald) bezeichnet. Es handelt sich in weiten Teilen um reinen Kiefernwald, dessen kahle Baumstämme eben wie nackte Stöcke aussehen. Und Stöckchen werden in der Nürnberger Mundart „Steckerla“ (Schdeggerla) genannt.

In der Mitmachbude auf der Kinderweihnacht
Nürnberger Lebkuchen – selbst gebacken. Den Link zum Rezept gibt es am Ende dieses Beitrags

Der Gewürzhandel war damals übrigens eine sehr ernste Sache! Es ist überliefert, dass bereits im Jahr 1441 am Fuß der Nürnberger Burg städtische Gewürzkontrolleure agierten, die die Qualität der angelieferten Gewürze aufs strengste überwachten. Nur die allerbeste Ware kam in den Handel und damit auch zu den Lebküchnern.

Heute gibt es anstelle der Gewürzkontrolleure Bestimmungen und EU-Vorschriften ohne Ende. Ähnlich wie der Dresdner Christstollen aus Dresden kommen soll, so müssen auch Nürnberger Lebkuchen aus dem Stadtgebiet Nürnbergs kommen (geschützte geografische Angabe) und sind wichtigen Qualitätsstandards unterworfen.

Selbstverständlich ist die Lebkuchenherstellung in Nürnberg inzwischen ein ganzer Industriezweig geworden und weitgehend automatisiert. Etwa 4.000 Arbeitsplätze hängen an dem traditionsreichen Gebäck. Bei manchen Herstellern stoßen die meterlangen Backstraßen bis zu 20.000 Lebkuchen in der Stunde aus.

Jedem Besucher meiner Stadt rate ich, nur die allerbesten Nürnberger Lebkuchen zu kaufen – die Elisenlebkuchen. Sie sollten das Meisterstück jedes Herstellers sein (vor allem kleiner Bäckereien, die noch echte Handarbeit erzeugen) und werden bereits seit 1808 unter diesem Namen gebacken.

Elisenlebkuchen enthalten mindestens 25 % Mandeln, Walnüsse oder Haselnüsse. Ihr Mehlanteil darf maximal 10 % betragen. Kleine Lebküchnereien backen ihre Elisenlebkuchen häufig ganz ohne Mehl und mit einem sehr hohen Nussanteil. Das hat natürlich seinen Preis.

Ein wunderbares Rezept für feine Nürnberger Elisenlebkuchen finden Sie hier!

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Außerdem finden Sie hier:
– Ein kleines „Fränggisch“-Werdderbuch (Wörterbuch „Fränkisch-Deutsch“) – Nicht verpassen!


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