Dem modernen Mensch genügt es, an die Tiefkühlfächer im Supermarkt zu treten, um dort seine Auswahl für die nächsten Mahlzeiten zu treffen. Und ist es nicht das Tiefkühlfach, dann das Regal mit der eingeschweißten Pasta oder jenes mit den Konserven – oder alles nacheinander. Das Brot kommt in vielen Familien aus stinkenden Backautomaten des Discounters.
Der Kuchen zur nächsten Feierlichkeit besteht aus einer flugs angerührten Backmischung. Suppen stammen sowieso schon lange aus der Tüte. Fakt ist: immer weniger Leute kochen, viele können es gar nicht mehr. Kaum jemand stopft mehr ein Loch im Strumpf oder strickt seinen Liebsten warme Socken, Pulli oder Schal.
Unsere Kinder und Kindeskinder wissen nicht mehr zu welcher Jahreszeit die Erdbeeren reif sind, wo die Milch, Fischstäbchen oder ein Schnitzel herkommt und was eine Laubsägearbeit ist.
Da junge Eltern häufig selber nicht mehr über das nötige Wissen verfügen, können Sie es auch nicht an ihre Kinder weitergeben. Das ist auch in unserem Nachbarland Österreich so.
Die Seminarbäuerin kommt in die Schule
Allerdings springen an den Stellen, an denen sich allzuviel Unwissenheit breit gemacht hat, bereits seit Anfang der 1990er Jahre Seminarbäuerinnen ein, um ihre helfende Hand zu reichen. Anfangs vermittelten die Seminarbäuerinnnen vor allem Wissen zum Thema Käse. Heute gehört die Beantwortung vieler Fragen aus zahlreichen Fachgebieten des Alltags zu ihren Aufgaben.
Sechs- oder siebenjährigen Kindern beizubringen, wie man sich selber ein Butterbrot schmiert, ist etwas, was heute in der Schule vermittelt werden muss. Mütter oder Omas nehmen solche Tätigkeiten heute jedem Kind ab.
Acht Kilo Teig für selbst gebackenes Roggenbrot warten auf die weitere Verarbeitung durch Sigrid Rainer und ihre Seminarteilnehmer. Treffpunkt: Mitten in Kärnten, Arriach im Gegendtal
Auf einer Reise nach Kärnten, lernte ich kürzlich die Seminarbäuerin Sigrid Rainer kennen, die sich diebisch darüber freute, insgesamt 31 Fertigkeiten zu beherrschen, die man als Handarbeit bezeichnet. Sie kann selbstverständlich Kochen, Backen, Braten, kennt sich mit dem ganzen Viehzeug aus, kann Butter, Topfen (Quark) und Käse herstellen – all das macht sie sicher mit Links. Sie kann Nähen, Sticken, Stricken, Weben und so weiter und so weiter – sogar Klöppeln!
Dabei ist sie eine von ca. 100 ausgebildeten Seminarbäuerinnen (Zertifikat ist erforderlich), von denen derzeit ca. 50 Frauen alleine in Kärnten (etwa 560.000 Einw.) aktiv sind.
Die Seminarbäuerinnen besuchen die Schulen im ganzen Land, um ihr Wissen zumindest teilweise an die jüngste Generation weiterzugeben. Die Einsätze finden im Monat vor den nächsten Ferien statt. Fällig wird dafür ein kleiner Unkostenbeitrag von 3-4 Euro (Materialwert je Kurs und Kind).
Es gibt dadurch sogar den Effekt, dass Eltern etwas von ihren Kindern lernen können.
Zu sagen: „Ich kann das nicht“, fällt schwer
Auch in Österreich bekommen Frauen erst mit ca. 30 Jahren ihre Kinder, vorher hat niemand Zeit sich um die oben genannten „häuslichen“ Angelegenheiten zu kümmern. Und plötzlich stellt man fest: ich kann gar nicht kochen, backen, sticken, stricken usw.
Auch für diese Generation stehen die Seminarbäuerinnen zur Verfügung und geben gerne Kurse.
Wobei Sigrid Rainer erzählte, es falle vielen Leuten schwer, zuzugeben, dass sie solch grundlegende Fertigkeiten wie Kochen gar nicht beherrschen. Weshalb es speziell auf dem Land eine hohe Hürde darstellt, sich zu einem Kurs bei der Seminarbäuerin anzumelden. Schließlich wird die eigene Unwissenheit dadurch ein bisschen öffentlich.
Bevor wir uns an die Kärtner Nudeln wagen, wird Brot gebacken
Der Teig für unser Roggenbrot wird in Form gebracht
Der fertige Brotlaib darf noch ein bisschen rasten, bevor er im Ofen verschwindet
Köstlich! Roggenbrot frisch aus dem Ofen.
Aus der Kärntner Küche: Kasnudln, auch Krapfen genannt
Eine Spezialität der Kärntner Küche sind gefüllte Nudeln, die eigentlich mit Topfen (also Quark) und Kartoffeln gefüllt werden. Die Kärntner nennen ihren Topfen aber Kas, weshalb die gefüllten Nudeln zu Kasnudeln werden.
Um die Schönheit der Verschlussnaht an den Kasnudln windet sich die Mär, dass junge Frauen erst dann heiraten dürfen, wenn sie die Kunst des Krendelns beherrschen. Aber das ist nur eine Geschichte, auf die sich heute vermutlich kein Bräutigam mehr berufen kann (siehe oben).
Seminarbäuerin Sigrid Rainer hat uns, assistiert von Ihrer Nachbarin Astrid, gezeigt wie man Kasnudeln herstellt, verriet uns ihr Rezept und lernte uns das krendeln. Der nächsten Hochzeit steht demnach nichts mehr im Weg.
Im Gasthof Arriach lässt sichs leben. Der Gasthof wird seit vier Jahren von Peter Nelis und Piet van Strien – unschwer als Holländer zu identifizieren – bewirtschaftet. Wir sind an diesem Vormittag zu Gast bei den beiden Herren. Seminarbäuerin Sigrid hat deren Küche gemietet.
Rezept der Seminarbäuerin: Kärntner Nudel – Kasnudeln – Kasnudln
Die angegebene Menge reicht für ca. 30 Stück. Nach drei bis vier der Kasnudeln ist man satt. Den Rest kann man einfrieren.
Für den Nudelteig:
* 50 dag (500g) Mehl
* 1 Ei
* 2 EL Öl
* Salz
* ca. ¼ l Wasser lauwarm
Für die Füllung:
* 50 dag (500g) Topfen
* 50 dag Erdäpfel (Kartoffeln) gekocht und nach dem ausdämpfen fein gerieben oder durch eine Presse gedrückt
* Salz
* 1 Zwiebel oder Porree kleingehackt und geröstet
* Kärtner Nudel-Minze oder Kerbel (evtl. Basilikum) fein gehackt
Zubereitung des Nudelteigs:
Für den Teig alle Zutaten auf einem Brett oder in einer Schüssel vermengen und zu einem glatten, geschmeidigen, nicht zu festen Teig kneten. Diesen lässt man mindestens eine halbe Stunde rasten. Anschließend wird der Teig, je nach Weiterverarbeitung in gekrendelte oder ausgeradelte Nudel, 1-3 mm dick ausgerollt.
Für die Fülle alle Zutaten gut vermengen und kleine Kugeln formen. Diese legt man in gleichmäßigem Abstand auf den ausgewalzten Teig. Den Teig darüber schlagen, rundum fest drücken und Nudeln ausradeln. Wer die Nudeln nicht krendelt, kann sie so ins kochende Salzwasser geben und einige Minuten ziehen lassen. Wer die Nudel krendeln will, drückt die Teigränder mit Daumen und Zeigefinger zu einem zackenförmigen Rand zusammen und kocht die Nudeln anschließend in reichlich Salzwasser. Mit zerlassener Butter und Salat servieren.
Durch alle Schüsseln: ein Blick in die Küche
Die Topfen-Kartoffelfüllung wird geknetet
Der strenge Blick von Seminarbäuerin Sigrid wacht über allem: der Nudelteig wird ausgewalzt
Kasnudln aus Kärnten: Nudelteig auswalzen, die Füllung mit einem Eisportionierer oder ähnlichem Werkzeug auf den Teig setzen, die Füllung mit dem restlichen Teig abdecken,die Ränder fest andrücken, dann in einzelne Nudeln zerschneiden.
Es entbrannte kurzfristig sogar so etwas wie ein kleiner Wettbewerb, welche Methode denn die bessere sei, beim herstellen der Kasnudeln. Den Teig rund auszustechen, oder die Füllung auf langgezogene Teigstücke zu geben, die man einfach zuklappt und dann zerschneidet.
Kärtner Kasnudeln: Man kann den Teig auch rund ausstechen, die Füllung darauf legen, dann die Ränder verschließen und dabei krendeln.
Je nachdem wer die Nudeln verschlossen hat: unsere Kärtner Kasnudeln sehen alle ein bisschen unterschiedlich aus.
Die gegarten Kasnudeln werden mit geschmolzener Butter, etwas Schnittlauch und einer Schüssel Salat serviert.
Nach getaner Arbeit an der frischen Luft. Die Seminarteilnehmer sind erschöpft und brauchen Erholung ;-)
Mariensammlung von Peter oder doch von Piet?
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In eigener Sache:
Zur Pressereise „Winter mit Weitsicht“ war ich eingeladen. Sie fand mit freundlicher Unterstützung der Region Villach Tourismus GmbH statt. Organisation: Feuer & Flamme. Die Agentur.
Lieber Peter,
Vielen Dank für deinen tollen Bericht.
Wir freuen uns sehr darüber, auch über die schönen Fotos.
Bist jederzeit wieder willkommen.
Schöne Grüße aus dem Mittelpunkt von Kärnten.
Ps. es gibt getrocknete Minze, die ich gerne schicken kann.
Einspruch!
Ich kann zwar Strümpfe nicht ordentlich stopfen, aber so, daß man sie noch anziehen kann.
Und meine Kinder stehen alle drei in der Küche und können sich selbst verköstigen.
Und Backmischungen kommen uns nicht ins Haus. Sind ja auch ziemlich schwachsinnig. Genauso wie Tütensuppen mit fragwürdigem Inhalt.
Die Kasnudeln muß ich mal testen.
Beste Grüße
Suse
Zum Glück gibt es Ausnahmen wie Dich.
Ich will die schon so lange mal probieren. Meine Mutter war Kärntnerin und hat sie oft gemacht. Leider hab ich auch den Fehler gemacht wie so viele und hab ihr nie wirklich dabei zugeschaut. Aber ich denke, einen Versuch ist es wert, nur wo kriegt man außerhalb Kärntens Minze bzw. Kerbel her?
Da hab ich schon viel gesucht und teilweise auch gefunden. Aber ist das auch wirklich die richtige? Ich nehme an, wenn es falsch ist, kann man u. U. die Nudeln nicht essen, weils nicht schmeckt. Gibt’s da bitte eine Empfehlung, Amazon hat ja alles, auch Kerbel.
Danke fürs Rezept und einen lieben Gruß, Heide
Wo es außerhalb Österreichs die gewünschte Kärntner Minze gibt, dazu kann ich leider nichts sagen.
Zum Kerbel sei angemerkt, dass es den bei uns in jedem guten Gemüseladen gibt, auch in Supermärkten. Allerdings ist Kerbel ein sehr schwaches Kraut.
Ich würde im Zweifelsfall auf das ebenfalls empfohlene Basilikum zurückgreifen. Das ist garantiert eine feine Sache!
Oh wie lecker! Das ist doch Anlass genug, die Pastamaschine aus der Speisekammer zu holen und die Kasnudln nachzumachen.
Absolut Carina,
aber wie Du siehst, ging das auch sehr gut ohne Nudelmaschine ;-)